Es liegt weder in der Stadt, noch in einer Tourismushochburg. Trotzdem ist das Bio- & Bike-Hotel Steineggerhof mit seiner zu 100 Prozent biologischen, zu 95 Prozent veganen und zu 65 Prozent regionalen Küche bei Urlaubsgästen und Einheimischen gefragt. Ein Selbstläufer ist das Konzept nicht, aber es funktioniert. Juniorchefin Lisa Resch erklärt im Interview, warum ihr jüngerer Bruder Tommy „schuld“ an der veganen Küche der Inhaberfamilie ist, welche zeitlichen, wirtschaftlichen und praktischen Herausforderungen die Umstellung auf pflanzenbasierte Kost mit sich bringt und warum sie überzeugt von ihrem Weg ist.
Wie kommt ein 3-Sterne-S-Hotel in einem 1300-Seelen-Dorf, das nur über eine kurvenreiche Straße zu erreichen ist, auf die Idee, vegan zu werden?
Die Idee kam nicht von heute auf morgen. Auslöser war mein Bruder Tommy. Er ist seit seinem 13. Lebensjahr Vegetarier, weshalb wir privat schon seit längerer Zeit meistens vegetarisch kochen, schlichtweg, um die doppelte Arbeit zu vermeiden. 2018 ließ sich mein Vater überreden, nach Jahren wieder in unsere Hotelküche zurückzukehren, wollte aber kreativ sein und etwas Neues ausprobieren. Er hat also – damals noch mit meiner Schwester Natalie, die später auf einen Bauernhof gezogen ist – immer mehr vegetarische Gerichte ausprobiert. Das war noch nicht so schwierig.
2018 sind wir dann der Gruppe der Biohotels beigetreten, was zunehmend vegane Gäste ins Hotel gelockt hat. Mit der Konsequenz, dass das Küchenteam oft „ins Schleudern“ gekommen ist, weil es ein und dasselbe Gericht in zwei Varianten – vegetarisch und vegan – zubereiten musste. Vor allem Desserts ohne Milch, Ei und Gelatine waren eine Herausforderung. Irgendwann merkten wir: Ganz vegan zu kochen ist einfacher, als ständig eine Alternative anzubieten. Und so sind wir Schritt für Schritt dort gelandet, wo wir heute stehen.
Im privaten Haushalt ohne Tierprodukte zu kochen, klingt machbar. Aber täglich ein veganes 5-Gänge-Menü aus dem Hut zu zaubern – geht das überhaupt?
Das war tatsächlich eine Bewährungsprobe, denn Kochbücher und Online-Rezepte reichten nicht für eine abwechslungsreiche Hotelküche – konkret sind die Zutatenlisten meistens zu kompliziert und die Rezepte nicht professionell ausgearbeitet. Und jeden Tag Grillgemüse oder Linsengerichte zu servieren war für uns keine Option. Ein Problem war auch, dass viele biologische und vegane Zutaten auf dem Markt sehr teuer oder nicht fair bzw. nachhaltig sind oder dass sie von weit her kommen. Kokosmilch oder Cashews zum Beispiel. Wir haben deshalb unendlich viel experimentiert und immer mehr Zutaten selbst hergestellt, etwa Gemüsepulver oder Kräutersalz. Wir haben auch die eine und andere kulinarische Bruchlandung hingelegt. Aber die meisten Gäste nahmen es mit Humor. Mittlerweile haben wir zwei Kochbücher herausgegeben – das Experimentieren hat sich also gelohnt.
Um wie viel höher ist der Wareneinsatz bei der veganen und biologischen Küche im Vergleich zu vorher?
In der ersten Phase der Umstellung im Jahr 2018 lag der Wareneinsatz 7,77 Euro pro Person und Nacht. Sobald wir auf 100 Prozent bio waren, stieg er auf 9,59 Euro, heute sind wir bei 10,70 Euro. Allerdings muss man hier die Lebensmittelpreise beachten, die in den vergangenen Jahren um 20 bis 30 Prozent gestiegen sind.
Andererseits kommen wir immer mehr mit eigenen Produkten zurande, was den Wareneinsatz erheblich senkt. Essig, Sirupe, Kompotte, Marmeladen, Tomatensauce, Fermentiertes, Ketchup, Aufstriche und vieles mehr stellen wir selbst her. In unserem 200 Quadratmeter großen Garten wachsen mehrere hundert Kilo Salate und Gemüse in der Saison – wobei wir pro Gast aber täglich rund ein Kilo brauchen und daher den Großteil trotzdem zukaufen müssen. Außerdem gibt es im Garten 60 verschiedene Kräuter, die meine Oma Marianne gemeinsam mit unserer Kräuterexpertin Verena pflegt, daraus u. a. Tees macht. Wir sind vom Salatbuffet abgekommen, servieren kleinere Portionen mit Nachschlag-Möglichkeit und werfen so gut wie nichts weg. Deshalb sind solche Zahlen immer relativ und mit jenen vor der Umstellung nicht wirklich vergleichbar.
Warum bietest du den Hotelgästen trotz der veganen Schiene Fleisch an?
Fleisch gibt es nur alternativ als Hauptspeise, und auch dann nicht Edelteile wie Filets, sondern wir kaufen vom Biohof meiner Schwester ganze Tiere, die wir vollständig verwerten. Dann stehen halt Geschnetzeltes, Gulasch oder Fleischkrapferl auf der Speisekarte. Zu 65 Prozent entscheiden sich die Gäste mittlerweile ohnehin für die vegane Hauptspeise – Tendenz steigend.
Dass wir Fleischgerichte überhaupt anbieten, liegt daran, dass wir unseren Gästen nichts vorschreiben möchten. Andererseits ist es uns doch ein Anliegen, die vegane Küche zugänglicher zu machen. Deshalb schieben wir zweimal wöchentlich vegane Abende ein, wobei einer in Form einer Pasta-Party abläuft. Wer unbedingt Fleisch haben will, kann es haben, aber es sind nur mehr sehr wenige Gäste, die darauf bestehen.
Hast du mit diesem Konzept auch Gäste verloren?
Ja, einige Stammgäste sind abgesprungen, weil sie ihr gewohntes Schnitzel nicht mehr bekommen haben. Ich kann es verstehen, denn vor allem ältere Gäste haben früher womöglich auf vieles verzichten müssen, weil die Familien im und nach dem Krieg arm waren. Sie möchten Liebgewonnenes jetzt nicht mehr aufgeben. Was uns noch aufgefallen ist: Viele Leute bringen die Begriffe „bio“, „vegetarisch“ und „vegan“ durcheinander. Einige dachten nach unserer Umstellung auf vegetarische Gerichte, es gäbe nur noch Salat und Nüsse. Andere lehnen das Konzept grundsätzlich als zu radikal ab, fühlen sich bevormundet. Aber das muss man akzeptieren.
Andererseits gewinnen wir neue Gäste, die sich gezielt für ein veganes Hotel entscheiden. Und bei jenen, die sich weniger fürs Kulinarische als eher für den Sport interessieren und nur zufällig auf unsere vegane Küche stoßen, schaffen wir es meistens, ihnen Denkanstöße mit auf den Weg zu geben.
Wie kommuniziert ihr eure Philosophie an eure Gäste?
Ich selbst arbeite im Service und komme während der Mahlzeiten viel mit den Leuten ins Gespräch. Wie es wirkt, merke ich zum Teil an den Nachfragen, oft aber erst viel später. Wenn Gäste, die weder Vegetarier noch Veganer sind, uns nach ihrer Heimkehr in einer E-Mail schreiben, dass sie zum Beispiel einen Veggy Day in der Woche eingeführt haben oder dass ihre ansonsten so wählerischen Kinder mit unserem Kochbuch plötzlich immer am Herd stehen, dann sind das für mich die schönsten Momente.
Muss man selbst vegan sein, um das Konzept authentisch vermitteln zu können?
Nein, das glaube ich nicht. Entscheidend ist, zu verstehen, was der Verzicht auf tierische Produkte bedeutet, und sich mit der Philosophie identifizieren zu können. Das gilt für uns Hoteleigentümer genauso wie für unser Team.
Nimm diese 3 Learnings von Lisa mit: