Der Petrunderhof in St. Valentin in Villnöß hat alles, was sich Gäste von einem Urlaub auf dem Bauernhof erwarten: jede Menge Tiere, frische Produkte, einen Hofladen und viel Platz zum Spielen. Doch er hebt sich in einem Punkt deutlich ab: Alle drei Ferienwohnungen sind vollständig barrierefrei – von Anfang an so geplant und umgesetzt. Gerade in der Hochsaison sind die Unterkünfte bei Leo und Lydia Messner schnell ausgebucht. Die Bäuerin erzählt, warum Barrierefreiheit für sie von Beginn an mitgedacht wurde – und worauf sie beim Neu- und Umbau besonders geachtet haben.
Lydia, euer Hof hebt sich durch seine Barrierefreiheit von anderen ab. Was hat dich dazu bewogen, diesen Weg zu gehen?
Meine Tochter Lara, heute 30 Jahre alt, ist seit einer Krankheit im Kindesalter motorisch eingeschränkt und bewegt sich mit unserer Hilfe fort, jetzt auch mit einem Rollator. Im Alltag stößt sie immer wieder auf Hindernisse. Früher habe ich sie oft mitgenommen, wenn ich zu Freundinnen auf andere Höfe gefahren bin oder dort etwas erledigt habe. Doch meistens blieb sie im Auto sitzen, weil es zu lang dauerte und für sie mühsam war, über unebene Wege, Stufen und Treppen ins Haus zu kommen. Das war frustrierend, vor allem für Lara. Als ich später verschiedene Ausbildungen machte, unter anderem „Schule auf dem Bauernhof“, war für mich klar: Auf unserem Hof sollen sich auch Kinder im Rollstuhl oder mit anderen körperlichen Beeinträchtigungen frei und selbstverständlich bewegen können.
Was genau hast du dafür verändert?
Im Zuge der Einrichtung unserer Käserei und des Hofladens haben wir sämtliche Zugänge sowie alle Innenräume barrierefrei gestaltet – auch den Stall, wo die Kinder beim Füttern helfen oder beim Melken zuschauen können. Uns war wichtig, dass auch Kinder mit Beeinträchtigung das Leben auf dem Bauernhof hautnah erleben können. 2017, nach 17 Jahren auf dem Hof, hatten wir schließlich die finanziellen Mittel und den Mut, drei Ferienwohnungen für Urlaub auf dem Bauernhof zu bauen. Natürlich barrierefrei.
Kannst du die Ferienwohnungen etwas näher beschreiben?
Der erste wichtige Punkt ist die Zufahrt: Man kann mit dem Auto direkt bis zu den Wohnungen fahren. Dabei wollten wir auf Asphalt verzichten und haben uns für einen besonderen Kiesbelag entschieden. Er hat eine stabilisierende Wabenstruktur, so bleibt der Boden auch bei Regen und Druck fest und kann problemlos mit Rollstuhl, Fahrrad oder Auto befahren werden. Die Wohnungen selbst sind ebenerdig – die Gäste wohnen und schlafen auf einer Ebene, ganz ohne Treppen oder Schwellen.
Worauf musstest du bei der Planung besonders achten – über breite Türen und schwellenlose Übergänge hinaus?
Zentrales Thema sind die Badezimmer. Sie sind so gestaltet, dass sich Menschen mit Gehbehinderung selbstständig duschen und die Toilette nutzen können. In der Küche gibt es einen abgesenkten Bereich am Herd für stehende Personen. So können Rollstuhlfahrer und Fußgänger auf gleicher Höhe gemeinsam kochen. Waschbecken und Kochfeld sind unterfahrbar, Kühlschrank und Spülmaschine sitzend gut erreichbar. Wenn jemand allein in der Wohnung lebt, stellen wir einen Rollwagen mit Töpfen und allem, was gebraucht wird, zusammen. Den kann man je nach Bedarf einfach hin- und herschieben. Oft sind es die kleinen Details, die den Unterschied machen.
Hat deine Tochter Lara bei der Umsetzung mitgeholfen?
Ja, sie kennt sich gerade bei den Themen Schwellen und Zugänglichkeit bestens aus. Lara sitzt auch im Vorstand von People First – das ist eine Organisation, die sich für die Rechte der Menschen mit Behinderung in Südtirol einsetzt. Während der Bauphase haben wir zudem mit einem älteren Rollstuhl wirklich alles durchprobiert – jede Tür, jede Rampe, jeden Übergang. Wir wollten sichergehen, dass alles wirklich funktioniert.
Wie erfahren Menschen mit besonderen Bedürfnissen von deinem Angebot?
Eigentlich nur über unsere Website sowie über das deutsche Internetportal „Mein barrierefreier Bauernhof“. Aber der Bedarf ist da. Entsprechend gut ist die Nachfrage in der Sommersaison. Im Winter hält sie sich in Grenzen. Zu uns kommen viele Familien, in denen zum Beispiel ein Mitglied im Rollstuhl sitzt. Auch Gruppen mit Menschen mit Beeinträchtigung sind oft da. Aber natürlich kann bei uns jeder Urlaub machen. Gerade diese Mischung macht es schön: Menschen mit und ohne Beeinträchtigung begegnen sich, erleben etwas gemeinsam und haben Spaß zusammen.
Unterscheiden sich Gäste mit Beeinträchtigung in ihren Bedürfnissen von anderen Urlaubern?
Was mir immer wieder auffällt: Sie sind unglaublich genügsam – und einfach glücklich, wenn sie sich frei bewegen können. Das macht sie zu besonders dankbaren Gästen. Natürlich gibt es auch Herausforderungen: Manchmal wird’s etwas lauter, oder es geht öfter etwas daneben, die Bettwäsche muss vielleicht öfter gewechselt werden. Aber das ist eine Frage der Einstellung – und für uns kein Problem.
In Villnöß gibt es einen barrierefreien Naturerlebnisweg mit 17 Stationen, einige davon sogar mit Blindenschrift. Welche Rolle spielen solche Angebote für inklusiven Tourismus?
Eine ganz zentrale. Wo es barrierefreie Unterkünfte gibt, sollte es auch mindestens einen Spazierweg geben, den wirklich alle nutzen können. Umgekehrt sind barrierefreie Unterkünfte wichtig, wenn andere Angebote barrierefrei sind. Der Naturerlebnisweg war für uns tatsächlich auch eine Inspiration: Er hat uns ermutigt, unsere Ferienwohnungen wirklich konsequent barrierefrei zu gestalten.
Worauf sollte das Urlaubsland Südtirol besonders achten, um in Sachen Barrierefreiheit weiter voranzukommen?
Auf den öffentlichen Verkehr. Es ist sehr erfreulich, dass die Bahnhöfe nach und nach barrierefrei werden. Bei den Bussen und vor allem bei den Haltestellen gibt es aber noch einiges zu tun. Manche Haltestellen sind so angelegt, dass sie für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung schlicht gefährlich sind. Hier besteht definitiv Verbesserungsbedarf.
Nimm dir diese 3 Learnings mit:
Autorin: Edith Runer