Der Name Fragsburg Soul Garden verrät, was seine Ernte verspricht: „Mit den frischen Kräutern, Früchten und dem vielfältigen Gemüse aus dem Garten nähren wir im Gourmet Restaurant Prezioso nicht nur den Körper – wir möchten auch den Geist beflügeln und die Seele berühren“, so Chefkoch Egon Heiss. Die vom Küchenteam handverlesenen Zutaten bilden nicht nur die Basis der Fragsburg Cuisine, sondern auch für die Pflegeprodukte und -anwendungen des Heilspa des Castel Fragsburg. Egon Heiss erzählt, wie Kochen auf Sterneniveau gelingt, wenn der eigene Garten den Takt vorgibt.
Lieber Egon, wir befinden uns hier im Soul Garden des Castel Fragsburg. Wie würdest du ihn bzw. das Ambiente, das uns hier umgibt, beschreiben?
Er ist auf jeden Fall mehr als ein Garten. Für das Küchenteam ist das alles hier eine unglaublich bereichernde Vorratskammer. Für jene, die hier arbeiten, den Garten verwalten und gestalten, ist er ein Ort, um sich sinnvoll zu engagieren. Für viele ist er ein Platz zum Auftanken, für andere ein Weg, sich für Nachhaltigkeit stark zu machen – sozial wie ökologisch. Für mich ganz persönlich ist dies der Ort, wo meine Arbeit beginnt. Immer da, wo die Zutaten gedeihen, zünden die Ideen für meine Gerichte. Für mich ist dieser Garten pure Inspiration.
Wie ist der Soul Garden entstanden?
Als ich meine Arbeit hier vor sieben Jahren begonnen habe, habe ich die Idee einer teilweisen Selbstversorgung in einem Sternerestaurant gleich mitgebracht. Die Idee wurde von Beginn an von vielen mitgetragen – und hat sich rasch zu einer gemeinsamen Vision entwickelt. Der Soul Garden der Fragsburg liegt auf einem Grundstück, das dem Versuchszentrum Laimburg gehört. Das Projekt wird heute in enger Zusammenarbeit zwischen dem Relais & Châteaux Castel Fragsburg, den Besitzer des Hauses, und dem Jugenddienst Meran getragen. Von Anfang an war der Garten nämlich auch als soziales Projekt gedacht: Jugendliche aus dem Meraner Raum erhalten auf dem rund 2.000 Quadratmeter großen Gelände – unter Anleitung von Mitarbeiter:innen des Jugenddienstes – die Möglichkeit, Obst, Gemüse, Kräuter und Blumen anzubauen, zu pflegen und zu ernten. Der Garten wird biologisch bewirtschaftet, ist so naturnah wie möglich angelegt und folgt einem Mehrjahresplan, der Vielfalt und Struktur garantiert. Mit dem Soul Garden verbinden wir soziale Aspekte, regionale Landwirtschaft und gehobene Gastronomie ganz unmittelbar miteinander.
Und das Projekt war gleich erfolgreich?
Schnell wurde deutlich: Die Zutaten – und damit auch die Gerichte und Kompositionen – schmecken intensiver, irgendwie echter, wenn sie auf diese Weise wachsen dürfen. Und, wenn die Menschen, die sie verarbeiten, von Anfang an beteiligt sind. Je enger der Bezug der Teammitglieder zur Zutat, desto mehr Kreativität, Wertschätzung und Wissen fließen in die Küche.
Kreativität wird es auch brauchen, wenn nicht zu jeder Zeit alles zur Verfügung steht oder aber etwas gerade reif ist, das verarbeitet werden möchte. Wie kann man sich das vorstellen: Es wird gekocht, was die Natur gerade hergibt? Das Menü wird entsprechend der Natur entwickelt und nicht umgekehrt?
Der Anbau wurde einerseits so organisiert, dass grundlegende Zutaten kontinuierlich nachwachsen und verfügbar sind. Gleichzeitig richtet sich die Menüplanung stark nach dem, was Saison und Reifegrad gerade ermöglichen. Die Natur gibt den Rhythmus vor.
Natürlich reicht die Ernte im Soul Garden allein aber nicht aus, um den gesamten Bedarf unserer Küche zu decken. Darum bewirtschaften wir zusätzlich eine Fläche in Tisens und arbeiten eng mit Landwirt:innen aus der Umgebung zusammen. Fleisch, Obst und Milchprodukte: Vieles kommt von unseren Partnerbetrieben – etwa der lokalen Metzgerei oder anderen vertrauten Lieferant:innen –, mit denen wir in regelmäßigem Austausch stehen. Morgens telefoniere ich mit ihnen und frage nach aktuellen Verfügbarkeiten oder Produktneuheiten. Noch vor 10 Uhr kenne ich die rund 15 Hauptzutaten des Tages – auf deren Grundlage entsteht dann das Tagesmenü. Die Zutaten stammen entweder direkt aus dem Soul Garden oder kommen frisch von den umliegenden Höfen. Das macht etwa 70 % unserer verwendeten Produkte aus. Die übrigen 30 % beziehen wir aus anderen nahen Teilen Italiens – bevorzugt von kleineren Betrieben mit transparenten Produktionsbedingungen.
Eine besonders nachhaltige Art zu kochen …
Nachhaltigkeit ist kein Konzept, das erdacht und übergestülpt werden kann, sondern eine Konsequenz echter Verbundenheit mit der Natur. Wer sich auf das Ursprüngliche, das Wesentliche konzentriert, arbeitet automatisch verantwortungsvoll. Nachhaltigkeit ist für mich eine wundervolle Begleiterscheinung – in erster Linie geht es mir um Ehrlichkeit, Gesundheit, Geschmack, um ein Kochen, das Substanz hat.
Was verändert sich durch diese Arbeitsweise? Welche Herausforderungen und Chancen würdest du zusammenfassend nennen?
Natürlich muss man kreativer denken und spontaner handeln, was die Menügestaltung betrifft – gleichzeitig macht genau das auch den Reiz aus: Mit dem zu arbeiten, was gerade wächst und reift, und nicht mit dem Wissen, dass zu jeder Zeit alles in Mengen verfügbar ist. Limitierung bedeutet auch immer Wertigkeit! Schwierig wird’s, wenn es darum geht, gewissen Kriterien für eine Zertifizierung zu entsprechen. Ich koche nicht jeden Tag zig Menüs! Es gibt meine Tageskreation – bis ins Detail durchdacht und vom Feinsten.
Was sich außerdem ändert, ist der Teamspirit: Wenn die Köch:innen selbst in Kontakt mit der Erde und den Pflanzen kommen, hat das in vielerlei Hinsicht starke Wirkung! Klare Werte in ein Team zu bringen, macht den Unterschied. Wenn man die Vision mit Menschen teilt, verbindet das.
Wie kommt das alles bei den Gästen an?
Unsere Gäste kommen mit bestimmten Erwartungen – an Geschmack, an Komposition, an Erlebnis. Unsere Aufgabe ist es, diese nicht nur zu erfüllen, sondern zu übertreffen. Sie schenken uns ihr Vertrauen: darauf, dass hier mit größtem Können und mit gutem Gewissen gekocht wird. Die Geschichte des Soul Garden ist Ausdruck dieses Vertrauensvorschusses – und zugleich seine Belohnung. Wir erzählen sie gern, denn sie macht sichtbar, wie viel Überzeugung, Engagement und Sorgfalt hinter dieser Art des Kochens stehen. Und vor allem zeigt sie unser Warum.
Ist dies ein Modell mit Zukunft? Welche Tipps würdest du interessierten Köch:innen/Gastronom:innen geben?
Es ist kein völlig neuer, sondern wenn dann ein wiederentdeckter Ansatz. Dieses Zusammenspiel aus Natur, Produzent:innen, Küche und Gästen wieder aufleben zu lassen, entspricht absolut dem Zeitgeist. Es ist Vergangenheit, die für mich zur Gegenwart geworden ist und hoffentlich für sehr viele zur Zukunft wird. Aber es ist nicht EIN-fach, im doppelten Sinne: Es gibt nicht das „eine“ richtige Konzept, sondern viele verschiedene Ansätze – und es gilt, für sich den Weg zu finden, der der eigenen Überzeugung entspricht. Es kommt auf eine eigene starke Vision an und auf die Möglichkeiten, die das jeweilige Umfeld bietet. Wichtig ist auch: Eine solche oder ähnliche Art zu arbeiten ist nicht von heute auf morgen umsetzbar! So etwas braucht Zeit. Eine schrittweise Umstellung oder Optimierung ist die Möglichkeit, alle auf dieser Reise mitzunehmen und gemeinsam Dinge auszuprobieren – ohne zu großes Risiko. Mir ist bewusst, dass naturnahes Kochen im Kleinen und auf einem bestimmten Niveau schon einfacher ist. Alles, was über eine bestimmte Gästeanzahl hinausgeht, verlangt nochmals eine andere Herangehensweise und birgt ganz andere Herausforderungen. Fest steht aber: Umdenken dürfen wir alle! Es geht doch um die Grundbedürfnisse des Menschen, Ernährung und – ja – auch Genuss. Und um unsere Zukunft.
Learnings:
Autorin: Ines Visintainer