Die Umstellung auf Fleischproduktion lohnt sich für landwirtschaftliche Betriebe nur, wenn sie damit attraktive Preise erzielen – und zwar nicht nur für Filet oder Entrecôte, sondern für das gesamte Tier.
Notwendige Weiterbildungsangebote: Das Tier ganzheitlich – „From nose to tale“ zu verarbeiten, verlangt Können vom Küchenteam.
„Jede Küche kann diese Umstellung schaffen, wenn der Wille da ist“, sagt Küchenmeister Manfred Rinner.
Einst stand Milzschnittensuppe in jedem Gasthaus auf der Speisekarte. Heute kennt sie kaum noch jemand. Das liegt vermutlich an der Milz, einem kleinen, aber äußerst aromatischen Organ des Rindes, das früher wie selbstverständlich in der Küche verarbeitet wurde. Doch wie viele Innereien ist sie aus der modernen Gastronomie nahezu verschwunden. Im Apipura Hotel Rinner in Oberbozen sieht das anders aus. Manfred Rinner, Juniorchef und Küchenmeister, überrascht seine Gäste gerne mit traditionellen Gerichten aus selten genutzten Teilen heimischer Tiere. Garniert er die Milzschnitten- oder auch eine Leberknödelsuppe mit einer spannenden Herkunftsgeschichte, lassen sich die Gäste dann auch gern auf das Unbekannte ein. „Es schmeckt ihnen sogar“, sagt Manfred augenzwinkernd.
Interessante Alternative zur Milchproduktion
Der Rittner Küchenmeister zählt allerdings zu einer kleinen Minderheit unter seinesgleichen. Heimisches Rind, noch dazu aus biologischer Herkunft – das Hotel ist Mitglied von Bio Fair Südtirol by Bioland – kommt in Südtirols Hotel- und Gastronomiebetrieben selten auf die Teller. Dabei wäre das Potenzial erfreulich groß, wie eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen (WIFO) zeigt. Demnach könnte die Fleischproduktion eine interessante Alternative zur Milchproduktion darstellen, die sich für viele nicht mehr lohnt. Der Grund: Die Mast ist wesentlich arbeitsextensiver und eignet sich daher auch für den Nebenerwerb.
Das sind die Herausforderungen
Das WIFO hat für die Studie 20 Experten befragt, die das Potenzial hervorgehoben, aber auch die Herausforderungen beim Namen genannt haben. Südtirols Landwirte hätten demnach nur dann einen Anreiz für die Fleischproduktion, wenn sie damit attraktive Preise erzielen – und zwar nicht nur für Filet oder Entrecôte, sondern für das gesamte Tier. Gleichzeitig verlangt die Gastronomie von den Bauern eine verlässliche Verfügbarkeit und konstante Fleischqualität – beides ist derzeit noch nicht immer gewährleistet. Hinzu kommt: Viele Küchencrews haben es im hektischen Alltag hinterm Herd verlernt, sämtliche Teile eines Tieres kreativ und wirtschaftlich zu verarbeiten. Gezielte Weiterbildungen wären da notwendig. Nicht zuletzt, so die Experten, würde eine einheitliche Vermarktung das Zusammenspiel aller Akteure erheblich erleichtern. Soweit die Studie. Und wie sieht die Realität aktuell aus?
Zurück zum Lernen
Dazu zurück zu Manfred Rinner: Er kauft das Rind in der Regel am Stück und ist unter anderem Stammkunde beim biozertifizierten Öbersthof von Josef Kerschbaumer in Garn bei Feldthurns. Dort genießen genügsame Limousinen-Rinder und flinke Wildmasthühner artgerechtes Leben, bevor sie geschlachtet und verkauft werden. Zu rund 80 Prozent gehen die Fleischpakete derzeit jedoch an Privatkunden, nur ein Fünftel nimmt die Gastronomie ab. Und das, obwohl Josef ständig Klinken putzt. Woran das liegt? „Bequemlichkeit“, meint der Fleischproduzent lapidar. Viele Gastronomen zögerten, weil es leichter sei, Roastbeef oder fertige Kalbskoteletts zuzubereiten, als ein halbes Rind samt Knochen, Sehnen und Innereien zu verarbeiten.
Dem stimmt Küchenchef Manfred absolut zu. Auch er musste, als er sich für eine nachhaltige Küche entschied, das Verarbeiten von sogenannten unedlen Teilen des Rindes erst wieder lernen. Das hatte er zuletzt in seinem Lehrbetrieb praktiziert, weil es in den Betrieben, in denen er danach gearbeitet hatte, nicht mehr vorkam. „Freilich war‘s eine Umstellung“, erinnert sich Manfred. Der Zeitaufwand für das Zerlegen des Tieres, der Platz zum Lagern und Einfrieren, die Kreation von Menüs für bis zu 60 Personen, wenn jedes Fleischstück nur maximal zweimal vorkommt – das erfordere Übung und Einsatz. Aber für ihn ist es der sinnvollste Weg, um Tourismus bzw. Gastronomie und Landwirtschaft in Südtirol nachhaltig voranzubringen.
Neue Praxis wird zur Routine
„Jede Küche kann diese Umstellung schaffen, wenn der Wille da ist“, sagt er überzeugt. „Nach einer gewissen Zeit wird es Routine.“ Der Aufwand lohne sich, denn selbst wenn biologisch-regionales Fleisch etwas mehr kosten müsse, um den kleinen Produzenten die Existenz zu sichern, sei es unterm Strich nicht teurer als ständig Edelteile zu importieren. Und das Argument, dass der Südtiroler Markt zu klein sei, um die Gastronomie verlässlich zu beliefern? „Wo die Nachfrage steigt, steigt auch das Angebot“, meint Manfred. Ein lokaler Kreislauf könne eine Chance für Südtirol sein und sogar ein Alleinstellungsmerkmal. Biobauer Josef stimmt dem zu, und er würde auch eine zentrale Vermarktung begrüßen, damit er sich auf das konzentrieren kann, was er am besten kann: sich um das Wohl seiner Tiere kümmern.
Nimm diese Learnings von Manfred und Josef mit: