Fermentation: Mehr als ein Trend

Fermentierte Lebensmittel liegen im Trend – und sind dabei richtig gesund. Warum Sauerkraut, Kimchi & Co gut für uns sind und was bei dem Verfahren geschieht, erklärt Mikrobiologin Sandra Fleischmann. Sie vernetzt als Expertin für Fermentation im NOI Techpark Unternehmen mit Forschungsinstituten und begleitet Forschungs- und Entwicklungsprojekte.
 
Unsere Urahnen nutzten die Fermentation, also die Transformation von Lebensmitteln durch Bakterien und Pilze, schon seit Jahrhunderten, um Lebensmittel haltbar zu machen. So konnten sie Vorräte für die Wintermonate anlegen, denn im sauren Milieu haben schädliche Keime kaum eine Chance. Der gesunde Nebeneffekt von fermentiertem Getreide und Gemüse allerdings, war unseren Vorfahren wohl nicht bewusst. Heute belegen verschiedene Studien, unter anderem der Universität Stanford, dass fermentierte Lebensmittel für eine erhöhte Vielfalt der Darmflora sorgen: Je größer die Artenvielfalt an Darmbakterien, desto besser arbeitet das Immunsystem. 
 
Im NOI Techpark in Bozen wird untersucht, wie innovative Fermentationsmethoden entwickelt und angewendet werden können und durch welche Prozesse die gesundheitsfördernden Eigenschaften von Lebensmitteln aktiviert werden. Führend sind hierbei die Labore der Freien Universität Bozen um den international bekannten Professor für Lebensmittelmikrobiologie, Marco Gobbetti (Micro4Food). Eine absolute Besonderheit ist hier der SHIME®, ein Simulator des mikrobiellen Ökosystems des menschlichen Darms. Mit ihm kann man die Auswirkungen der Ernährung auf die mikrobielle Vielfalt unseres Verdauungstrakts untersuchen „Die Forscherinnen und Forscher im NOI untersuchen, wie Roh- und Inhaltsstoffe schonend konserviert und wirksam verarbeitet werden können. Wir fokussieren uns auf den Fermentationsprozess, weil wir überzeugt sind, dass das uralte Verfahren der Konservierung die Lebensmittelindustrie in die Zukunft führt“, erklärt Sandra Fleischmann, die als Mikrobiologin im Technologiefeld Food & Health im NOI Techpark Unternehmen berät und mit Laboren und Forschenden in Kontakt bringt.
„Die Forscherinnen und Forscher im NOI untersuchen, wie Roh- und Inhaltsstoffe schonend konserviert und wirksam verarbeitet werden können. Wir fokussieren uns auf den Fermentationsprozess, weil wir überzeugt sind, dass das uralte Verfahren der Konservierung die Lebensmittelindustrie in die Zukunft führt.“
Sandra Fleischmann
Mikrobiologin im Technologiefeld Food & Health im NOI Techpark

Was passiert beim Fermentieren?

„Es gibt verschiedene Arten der Fermentation, bei jener mit Milchsäurebakterien wird der Zucker des Ausgangsprodukts, Milchzucker beispielsweise, durch Mikroorganismen verstoffwechselt. Dabei entsteht Laktat, deshalb schmeckt das Endprodukt sauer. Prinzipiell kann man alles, was Zucker enthält, fermentieren“, erklärt Fleischmann die chemischen Vorgänge, die dahinterstecken. Das Produktangebot, das durch Milchsäurefermentation entsteht, ist umfangreich: So entstehen u.a. Joghurt, Käse, Sauerkraut, Kimchi und Sauerteig. Ähnlich sind die Prozesse bei der alkoholischen Fermentation, bei der Hefen eingesetzt werden: Bei der Verstoffwechslung entsteht Alkohol – auch an diesem Prozess wird in den Laboren der unibz und des Versuchszentrums Laimburg im NOI Techpark geforscht. „Interessierte können sich an uns wenden, wenn sie neue gegorene und destillierte Produkte wie Bier, Met und Apfelwein entwickeln wollen. Es werden Fermentationsprozesse untersucht und auch Spirituosen, Obstbrände, Liköre und Wein getestet“, erklärt Fleischmann. 

Die gängigsten Formen der Fermentation

  • Bei der alkoholischen Gärung kommen Hefen, also Pilze, zum Einsatz: Traubenmost wird zu Wein, aus Malz entsteht Bier, aus Apfelsaft wird Cider und aus Mehl wird Brot.

  • Die Milchsäuregärung ist die Basis vieler Lebensmittel, die wir regelmäßig konsumieren: Joghurt, Kefir und andere saure Milchprodukte, Käse, Sauerkraut, Brot mit Sauerteig. Auch Sojasauce, saure Gurken und Salami werden mithilfe der Milchsäuregärung hergestellt. 

  • Bei der Essigsäuregärung wird Alkohol in Essigsäure umwandelt: Es entstehen unter anderem Wein- und Apfelessig. Dies ist jedoch keine Gärung im eigentlichen Sinne, da bei diesem Prozess Sauerstoff verbraucht wird.

Warum sind fermentierte Lebensmittel so gesund? 

Geschmack, Struktur und Haltbarkeit: Diese Aspekte eines Lebensmittels beeinflusst die Fermentation. Sie werden im NOI Techpark untersucht, doch auch die gesundheitlichen Vorteile stehen im Fokus der Forschenden – und die sind bei fermentierten Lebensmitteln zahlreich: „Erstens werden bei der Fermentierung die Lebensmittel nicht erhitzt, dadurch bleiben die Nährstoffe erhalten“, weiß Fleischmann. Durch den chemischen Prozess können zudem komplexe Zellstoffe aufgebrochen werden, wodurch die Nährstoffe vom Körper leichter aufgenommen werden. „Außerdem können während des chemischen Prozesses verschiedene Nährstoffe sowie B-Vitamine entstehen“, erklärt sie weiter. Fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut und Joghurt liefern zudem Probiotika. „Das sind lebende Mikroorganismen, u.a. Milchsäurebakterien. Die sind gut für unseren Darm, denn sie haben Auswirkungen auf das Mikrobiom, das ist die Gesamtheit aller im Darm vorkommenden Mikroorganismen. Das Interesse der Forschung am Mikrobiom ist derzeit riesig, weil es wohl nicht nur für das Immunsystem relevant ist, sondern womöglich sogar unsere Psyche und unser Verhalten beeinflusst.“ Auch im NOI Techpark wird das Mikrobiom aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht: „Was wir essen, wirkt sich auf die Mikroorganismen und in Folge auf unsere Verdauung und damit unseren Gesundheitszustand aus“, führt Fleischmann aus.

NOI Techpark: Internationaler Hotspot für Fermentation

Das Micro4Food Lab im NOI Techpark ist eine Forschungsplattform, die von der Freien Universität Bozen betrieben wird. In sechs Laboren und drei Pilotanlagen wird geforscht und der Transformationsprozess von Lebensmitteln sowie die Auswirkungen auf unsere Gesundheit untersucht. Am Versuchszentrum Laimburg forscht man zudem an der Herstellung und Veredelung von Getränken durch Fermentationsprozesse und Destillation. „Ziel ist es, die Vorzüge der Fermentation zu nutzen: die Haltbarkeit, die ernährungsphysiologischen Vorteile, die organoleptischen Eigenschaften, also die Aspekte eines Produkts, die mit den Sinnen wahrgenommen werden können – Farbe, Geruch, Geschmack zum Beispiel. Dafür entwickeln die Forschenden neue Prozesse und Produkte und verwerten auch Abfälle und Nebenprodukte der Lebensmittelkette“, erklärt Fleischmann. Dass Lebensmittelabfälle verwendet werden, so Fleischmann, sei ihrer Meinung auch einer der Gründe, warum Fermentierung so im Trend liegt: Sie reduziert Lebensmittelverschwendung. Beispielsweise produziert das NOI Start-up Garum Project in Zusammenarbeit mit dem Versuchszentrum Laimburg Garum, eine Gewürzsauce, die schon die alten Römer mithilfe der Fermentation von Neben- und Abfallprodukten, die in der Küche anfallen, herstellten. 

 

„Ziel ist es, die Vorzüge der Fermentation zu nutzen: die Haltbarkeit, die ernährungsphysiologischen Vorteile, die organoleptischen Eigenschaften, also die Aspekte eines Produkts, die mit den Sinnen wahrgenommen werden können – Farbe, Geruch, Geschmack zum Beispiel. Dafür entwickeln die Forschenden neue Prozesse und Produkte und verwerten auch Abfälle und Nebenprodukte der Lebensmittelkette.“
Sandra Fleischmann
Mikrobiologin im Technologiefeld Food & Health im NOI Techpark

2024 eröffnet zudem ein Kompetenzzentrum für Fermentation seine Tore im NOI Techpark: Das „International Center on Food Fermentations“, betrieben durch die Freie Universität Bozen. Unternehmen wie Mila und Barilla arbeiten hier an langfristigen Projekten – von einem kurzlebigen Trend kann also nicht die Rede sein.

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