Die Seiser Alm ist mit ihrer Fläche von etwa 56 Quadratkilometern die größte Hochalm Europas und eines der eindrucksvollsten Landschaftsschutzgebiete der Alpen. Ein ausgeklügeltes, über die Jahre gewachsenes und sich stetig weiterentwickelndes Mobilitätskonzept schützt das Gebiet vor dem motorisierten Verkehr, denn es gilt, die reiche Vielfalt an Flora und Fauna zu bewahren. Martin Rabensteiner, seit Herbst 2024 Geschäftsführer der Seiser Alm Marketing, über die Herausforderungen bei der Durchsetzung neuer Maßnahmen und welche Schritte als nächstes geplant sind.
Der Verkehr auf der Seiser Alm ist stark reglementiert. Für den privaten Verkehr ist die Straße, die auf die Alm führt, von 9 bis 17 Uhr gesperrt, Ausnahmen gelten für Anrainer und Gäste, die auf der Seiser Alm übernachten. Wie wird diese Regelung angenommen?
Grundsätzlich gut. Die Seiser Alm existiert in einem Spannungsfeld, in dem unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen. Einerseits muss die Landschaft geschützt werden, es geht darum, mit der Natur achtsam und verantwortungsvoll umzugehen. Auf der anderen Seite ist das Gebiet ein Wirtschaftsraum, aber auch ein Lebens- und Wohnraum. Es ist natürlich eine Herausforderung, die vielen Interessengruppen zusammenzubringen und sie von gewissen Konzepten zu überzeugen. Das ist unser Anliegen und nur so kann sich das Konzept weiterentwickeln.
Die Alm ist gut mit der Umlaufbahn in Seis und auch dem Shuttlebus erreichbar, die wiederum sind an den öffentlichen Nahverkehr angebunden – wie wichtig ist es, dass all diese Mobilitätsformen gut ineinandergreifen?
Der öffentliche Nahverkehr in der Dolomitenregion Seiser Alm ist sehr gut ausgebaut. Wir haben zwölf Shuttlebus-Linien, die zur Umlaufbahn Seis/Seiser Alm Bahn führen und sechs öffentliche Linien, die die Ortschaften verbinden. Nach Bozen haben wir einen Viertelstundentakt und einen Stundentakt nach Brixen. Die Shuttlebusse fahren über Tiers und Völs zur Umlaufbahn, auch von St. Ulrich über Kastelruth. Die Urlauberinnen und Urlauber bekommen den Südtirol Guest Pass, so schaffen wir einen Anreiz und einen niederschwelligen Zugang zu den öffentlichen Verkehrsmitteln. Wir als Seiser Alm Marketing tragen dazu bei, dass die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut werden und davon profitieren auch die Einheimischen.
Stichwort nachhaltige Anreise: Reisen Gäste auch ohne das eigene Auto an?
Wir versuchen, verstärkt in unserer Kommunikation darauf aufmerksam zu machen, dass der Weg von den Bahnhöfen Brixen, Waidbruck und Bozen, die sogenannte letzte Meile sehr gut mit dem öffentlichen Verkehr oder mit Südtirol Transfer zurückgelegt werden können. Durch den Südtirol Guest Pass und durch das gute ÖV-Netz setzen wir sehr stark darauf, dass die Leute, wenn sie auch mit dem Auto anreisen, es dann zumindest während des Urlaubs stehen lassen.
Auf der Seiser Alm gilt ein generelles Campverbot. Wie wird das angenommen?
Tatsächlich haben wir seit zwei Jahren Probleme mit sehr vielen Wildcampern. Sie ignorieren das Verbot oder wissen nicht Bescheid darüber, weil sie sich über ihre Communities oder Foren austauschen und nicht über offizielle Wege informieren. Zum Teil nehmen sie wahrscheinlich die Strafen in Kauf, die noch zu niedrig sind. Es ist schwierig, diese Personen zu erreichen, aber wir arbeiten daran.
Welcher Schritt ist als nächstes geplant?
Als nächstes nehmen wir die Digitalisierung in Angriff. Wir möchten die beiden Parkplätze auf der Alm, die bis 9 Uhr für Autos erreichbar sind, vorab online buchbar machen. Wir möchten auch ein digitales Erfassungssystem am Kontrollpunkt St. Valentin einführen: Kameras erfassen das Kennzeichen der Autos, die auf die Alm fahren möchten, und erkennen, ob sie berechtigt sind oder nicht. Wer keine Genehmigung hat, wird aufgefordert, umzudrehen. So sind alle informiert, dass sie sich strafbar machen, wenn sie weiterfahren.
Welche Tipps würdest du anderen Destinationen mit auf den Weg geben, wenn sie ihr Gebiet zu einer verkehrsberuhigten Zone manchen möchten?
Zuhören, gemeinsam eine Lösung suchen und sich committen: Man muss sich mit allen relevanten Playern, Stakeholdern und Interessensgruppen an einen Tisch setzen und gemeinsam überlegen, was das Problem ist und wie man es lösen möchte. Und dann muss man sich auch verpflichten, die Lösungen umzusetzen. Vor allem müssen kritische Stimmen von Anfang an einbezogen werden, das ist mein Learning.
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