Seit Juli 2024 trägt die Gemeinde Partschins das Nachhaltigkeitslabel Südtirol.
Für Karin Thaler ist ein Tourismusverein heute ein Ortsentwickler, der das Wohl der Einheimischen und Gäste gleichermaßen im Blick hat.
Zu den Vorteilen des Zertifizierungsprozesses sagt sie: „Ich sehe, wo wir stehen und weiß, was die nächsten Aufgaben sind, die wir in Sachen Nachhaltigkeit angehen müssen.“
Für den Tourismusverein Partschins ist Nachhaltigkeit schon seit Jahren ein großes Thema. Heute bist du die Nachhaltigkeitsbeauftragte im Tourismusverein – wie kam es dazu?
Karin Thaler: 2013 haben wir gemeinsam mit der Gemeinde das Projekt „Lebensraum Partschins“ initiiert, in dessen Rahmen viele Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt wurden, die eine nachhaltige Entwicklung des Ortes unterstützt haben. Ich war von Anfang an – als Kümmererin – in das Projekt involviert und deshalb war es naheliegend, dass ich auch die Nachhaltigkeitsbeauftragte im Tourismusverein bin und die GSTC-Zertifizierung in Angriff nehme, auf dem ja das Nachhaltigkeitslabel Südtirol basiert. Und zwar gemeinsam mit dem Nachhaltigkeitsbeauftragten der Gemeindeverwaltung und mit der Unterstützung der Arbeitsgruppen aus der Dorfbevölkerung.
Seit Juli 2024 trägt der Ferienort Partschins das Nachhaltigkeitslabel Südtirol: Woher kam der Impuls, sich zertifizieren zu lassen?
Uns ging es einzig und allein darum, zu schauen, wo wir stehen. Es geht uns nicht um eine Plakette und wir haben den ganzen Prozess auch nicht durchlaufen, um mehr Marketinginstrumente zur Verfügung zu haben. Wir möchten wissen, was die nächsten Aufgaben sind, die wir in Sachen Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz anzugehen haben. Und dazu ist ein solcher Zertifizierungsprozess sehr hilfreich und wichtig.
Wie wichtig ist die Partizipation aller Interessensgruppen, wenn man möchte, dass eine Destination nachhaltiger wird?
Schon 2013, als es losging, mit „Lebensraum Partschins“, war uns klar, wie wichtig es ist, dass alle Gruppen miteinbezogen werden und aktiv mitarbeiten, also die Senioren, die Jugend, die Gastronomie, die Kaufleute, die sozialen Bereiche, die Beherbergungsbetriebe und so weiter. 2023, als wir dann die nächsten zehn Jahre in Angriff genommen und eine Zertifizierung ins Auge gefasst haben, haben wir die Kerngruppe gebündelt und in Synergien mit Vertreterinnen und Vertretern aus den einzelnen Bereichen und Interessensgruppen zusammengestellt. Wobei wir uns grundsätzlich nur mit Themen beschäftigen, die die Bewohner in Partschins bewegen und nicht politisch fokussiert sind. Regelmäßig gibt es Klausurtagungen, wo alle eingeladen sind und wo wir ganz ungefiltert alles aufs Tapet bringen, was zu tun wäre. Ich schätze diesen Austausch in einer großen Runde: Man sieht, was in den verschiedenen Bereichen geschehen ist und umgesetzt wird; wenn man nur in der eigenen Bubble bleibt, bekommt man vieles nicht mit.
Was war eine wichtige Erkenntnis während des Zertifizierungsprozesses?
Mir ist klar geworden, dass Leerstände und die Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten große Themen sind, die wir lösen wollen. In der Gemeinde Partschins gibt es eine große Vielfalt an landwirtschaftlichen Produkten, die uns am Herzen liegen. Wir wollen die Produzenten verstärkt unterstützen. Noch fehlt die Systematik, um die Produkte besser zu vertreiben. Wenn Konsumentinnen und Konsumenten kreuz und quer fahren müssen, damit sie zu den Lebensmitteln kommen, dann ist das weder kundenfreundlich noch nachhaltig. Andererseits haben wir viele leerstehende Strukturen, die für die Vermarktung und den Vertrieb genutzt werden könnten: Es gibt junge Leute im Ort und rundherum, die Ideen haben, und diese umsetzen möchten. Es braucht ein attraktives Angebot, damit Räumlichkeiten genutzt werden können.
Themen wie diese betreffen die strukturelle Weiterentwicklung eines Ortes: Ist es Aufgabe eines Tourismusvereines, diese voranzutreiben?
Eine Tourismusorganisation wird wahrgenommen als Ansprechpartner für Beherbergungsbetriebe, für das Organisieren von Veranstaltungen und die klassische Gäste-Information. Die Arbeitsfelder einer Tourismusorganisation sind mittlerweile weit mehr und haben sich in den letzten Jahrzehnten aus verschiedenen Notwendigkeiten ergeben und weiterentwickelt. Wir als Tourismusverein sehen es als unsere Verpflichtung, uns um den Lebensraum zu kümmern. Wir sind Ortsentwickler. Gäste und Einheimische haben ja oft ähnliche Wünsche und Anforderungen an einen Ort: Gut gepflegte Wander- und Radwege zum Beispiel oder ein gut funktionierender öffentlicher Personennahverkehr. Im Zusammenspiel mit Lebensraum Partschins hat der Tourismusverein beispielsweise ein Mobilitätskonzept ausgearbeitet, wo wir unsere innenörtlichen Verkehrsproblematiken unter die Lupe genommen haben. Wir haben Verkehrszählungen vorgenommen, haben die Parkplatzsituation und den Radverkehr begutachtet. Diese Erhebungen sehen wir als Beitrag für die Gemeindeverwalter, die die nächsten Schritte in Angriff und Maßnahmen umsetzen können.
Was sind die kurzfristigen Ziele der Destination Partschins ins Sachen Nachhaltigkeit?
Kurzfristig stehen bei uns jetzt vor allem Sensibilisierungskampagnen an, wobei es vor allem darum geht, wie sich Gäste und Einheimische in der Natur verhalten sollen – und wie nicht. Es gibt bereits ein Kunstprojekt, das derzeit in Umsetzung ist, wo es darum geht, die Menschen zum Nachdenken anzuregen.
Was möchtest du anderen mitgeben, die sich daran machen, ihren Ort enkelfähig zu machen?
Toleranz, Verständnis und Entgegenkommen, Kommunikation und Information: Das sind für mich Schlüsselbegriffe, die wir verinnerlicht haben. Nicht zu vergessen ist das eigene Verhalten, das immer wieder zu hinterfragen ist. Man muss mit gutem Beispiel voran gehen. Wichtig ist es, sich mit der lokalen Bevölkerung auseinanderzusetzen und sie einzubeziehen. So werden Missverständnisse ausgeräumt. Und es braucht engagierte Personen, die mit Herzblut dabei sind und schauen, dass etwas weitergeht. Oft sind das Idealisten, die gleichzeitig Visionen haben und vorausdenken.