Wer im Internet das Angebot der Alpinschule Globo Alpin durchstöbert, dessen Blick bleibt bei jeder Tour oder Reise als erstes am CO₂-Fußabdruck hängen. Ein Klick führt zum Klimabeitrag, der zusätzlich zu den Reisekosten zu bezahlen ist und in Projekte zum Klimaschutz fließt. Doch hinter diesem Schritt steckt viel mehr als bloßes Freikaufen von Umweltsünden. Martin Moser, Geschäftsführer der in Toblach ansässigen Alpinschule Globo Alpin, die den Schwerpunkt auf alpine Reisen rund um den Globus gelegt hat, erklärt im Interview die Philosophie des Pusterer Unternehmens mit inzwischen rund 25 Mitarbeitenden.
Seit mehr als 30 Jahren veranstaltet Globo Alpin Touren und Kurse in und außerhalb von Südtirol, aber auch Berg- und Trekkingreisen in ferne Länder. Inzwischen habt ihr euch das Klimabewusstsein auf die Fahnen geschrieben. Wie passt das zusammen – Fernreisen und Klimaschutz?
Martin Moser: Bis vor knapp zehn Jahren haben wir, ehrlich gesagt, keinen Gedanken an das Klima verschwendet. Die „anderen“ sollten es richten – die Politik und die großen Player. Doch dann kam eines Tages Michi (Michi Andres, Gründer, Anm. d. Red.) ins Büro und meinte, wir müssten etwas für die Nachhaltigkeit tun. Sein Sohn hätte ihn darauf aufmerksam gemacht, und an diesem Gedanken sei etwas dran. Das war gewissermaßen ein Wendepunkt. Wir haben uns fortan speziell mit dieser Frage auseinandergesetzt: Was können wir dafür tun, um Reisen – sie sind ja ein großer Teil unseres Geschäftsmodells – und Klimaschutz miteinander zu vereinbaren? Heute sagen wir: Ja, Reisen verursacht Emissionen. Wir können aber versuchen, unsere Reisen achtsamer zu organisieren und Maßnahmen zu ergreifen, um schonender unterwegs zu sein – bis hin zum Verzicht.
Wie seid ihr konkret vorgegangen?
Wir haben uns an Günther Reifer vom Beratungsunternehmen Terra Institute gewandt, der uns drei Jahre lang begleitet und uns Strategien für ein achtsameres Wirtschaften vermittelt hat. Seitdem verfassen wir jährlich einen Emissionsbericht. So haben wir Daten, auf deren Grundlage wir uns weiterentwickeln und selbst messen können. 2018 waren wir eines der ersten oder vielleicht das erste Bergsport-Reiseunternehmen, das für jede Reise den CO₂-Fußabdruck und dazu einen Klimabeitrag eingeführt hat. Der war zunächst freiwillig, 75 Prozent unserer Kundschaft hat ihn bezahlt.
Wohin floss das Geld?
Wir haben uns an die Klimaschutzorganisation myclimate gewandt, einer Non-Profit-Organisation aus der Schweiz. Somit wussten wir, dass unser Beitrag sicher in Klimaprojekte investiert wird – und zwar dort, wohin unsere Reisen führen, etwa nach Äthiopien.
Klingt das nicht nach reiner Kompensation?
Genau. Der radikale Schritt wäre daher, Flugreisen ganz zu streichen, weil sie laut Emissionsbericht etwa zwei Drittel unserer Emissionen verursachen. Allerdings haben wir von unserer Mitarbeiterin und Nachhaltigkeitsbeauftragten Anna Brugger gelernt, nicht alles schwarz-weiß zu sehen. Nachhaltigkeit vereint drei Aspekte: den ökologischen, den ökonomischen und den sozialen. Flugreisen komplett zu streichen, wäre zwar ökologisch nachhaltig, aber weder ökonomisch noch sozial tragbar. Deshalb haben wir beschlossen, Flugreisen zu vermeiden oder zu reduzieren und effizienter zu gestalten.
Was habt ihr konkret geändert?
Unser Fluganteil liegt aktuell bei etwa 14 Prozent und darf maximal 20 Prozent erreichen. Wir organisieren keine Flugreise unter sieben Tagen und kein Heliskiing. Ab 4.200 Flugkilometern dauert eine Reise mindestens zwei Wochen. Zunehmend setzen wir auf Road-Trips – zum Beispiel mit Zug und Fähre nach Griechenland oder Korsika. Seit 2024 ist der Klimabeitrag für unsere Kunden verpflichtend. Den zahlen wir auch für unsere Berg- und Wanderführer. Sie werden zudem belohnt, wenn sie zwei oder mehrere Wochen vor Ort bleiben und somit Flüge eingespart werden.
Wie nehmen die Kunden die verpflichtenden Zusatzkosten auf?
Es gibt einige wenige Zweifler, die den Klimabeitrag hinterfragen. Es herrscht da mitunter viel Unsicherheit und Resignation. Mit diesen Kunden suche ich ein konstruktives Gespräch. Wenn ich ihnen von unseren Projekten erzähle, erhält das Klima-Engagement in ihrem Gefühl eine völlig neue Bedeutung.
Globo Alpin hat das Projekt „KlimaWissen“ initiiert: Worum geht es dabei genau?
Für das Projekt arbeiten wir mit dem Schulverbund Pustertal zusammen. Klima- und Umweltexpertinnen und -experten gehen in Kindergärten und Schulen und sensibilisieren Kinder und Jugendliche in zweitägigen Workshops für Klimaschutz – altersgerecht, praxisnah und vor allem motivierend. Vergangenes Jahr waren es insgesamt rund 800 Kinder. Aktuell suchen wir die Zusammenarbeit mit Unternehmen, um das Projekt weiterhin ausreichend finanzieren zu können.
Wie sieht es mit eurem Klima-Engagement bei Touren in Südtirol aus?
Natürlich berechnen wir auch hier den CO₂-Fußabdruck. Generell bevorzugen wir Unterkünfte, in denen Regionalität und Bodenständigkeit im Vordergrund stehen. Im Winter organisieren wir Öffi-Wochen, sprich Skitourenwochen, in denen ausschließlich öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden. Gewisse „Klassiker“ wie Alpenüberquerungen von Obersdorf nach Meran bieten wir bewusst nicht an. Ebenso fehlen Trendorte für Skiflugreisen. Und wir animieren unsere Kundinnen und Kunden, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen.
Das schafft ihr wie …?
Indem wir ihnen die Leihausrüstung gratis zur Verfügung stellen, wenn sie mit dem Zug oder mit dem Bus anreisen. So müssen sie nur ihr Gepäck tragen.
Wie brieft ihr eigentlich eure Mitarbeitenden? Sie müssen schließlich eure Position vertreten.
Für uns war die Gründung der sogenannten Klimaseilschaft nach Corona ein wichtiger Meilenstein. Auf klimaseilschaft.org lässt sich da einiges nachlesen. Diese Gruppe von vier der führenden Alpinschulen – zwei in der Schweiz, eine in Deutschland und wir – hat sich gemeinsame Prinzipien, Verantwortungen und verpflichtende Maßnahmen im Sinne des Klimaschutzes auferlegt. Ein Punkt ist auch die Weiterbildung der Mitarbeitenden. Sie sollen imstande sein, mit den sich verändernden Klimabedingungen zu arbeiten, aber auch, gegenüber den Kunden nachvollziehbar, wissenschaftlich fundiert und konstruktiv zu argumentieren. Zum Beispiel, wenn eine Tour ersetzt wird, weil die Steinschlaggefahr zu groß oder der Gletscher zu gefährlich ist, oder wenn wegen Schneemangels eine Verlegung notwendig ist.
Werdet ihr manchmal mit dem Vorwurf konfrontiert, notorische Weltverbesserer zu sein, deren gut gemeinte Taten ohnehin umsonst sind?
Wir haben uns von Beginn an im Tun versucht und nicht im Reden. Seit wir verschiedene Anstrengungen unternehmen, wissen wir, dass wir in unserem Bereich auf dem richtigen Weg sind und tatsächlich etwas verändern können. Und darauf kommt es, glaube ich, an: Jeder sollte in seinem persönlichen Umfeld etwas verbessern, dort, wo er oder sie sich am besten auskennt. Unser Beispiel zeigt, wie trotz Start bei null sehr nützliche Initiativen entstehen können. Wissend, dass es Grenzen gibt und wir eben nicht die Welt retten, uns aber in unserer Welt besser verhalten als früher.
3 Learnings von Martin Moser:
Sei achtsam – dann fügt sich vieles von selbst. Nachhaltigkeit beginnt nicht mit großen Konzepten, sondern mit einer Haltung. Wer bewusst hinsieht, Entscheidungen hinterfragt und achtsam unterwegs ist, wird automatisch Wege finden, die Natur zu schonen und respektvoller zu handeln.
Es muss nicht immer schwarz-weiß sein. Zwischen Verzicht und Verschwendung gibt es viele Nuancen. Nicht jeder Schritt muss radikal sein, um Wirkung zu zeigen. Und wenn jeder seinen Teil beiträgt, hat das eine große Wirkung.
Es geht nicht allein um die CO₂-Rechnung. Zahlen und Emissionsberichte sind wichtig, doch Nachhaltigkeit geht darüber hinaus. Regionalität, kurze Wege, faire Arbeitsbedingungen und soziales Engagement gehören genauso dazu.
Autorin: Edith Runer