Mitten in Wien, zwischen Naschmarkt und Karlsplatz, befindet sich ein Café, das nicht nur für seine köstlichen Backwaren und Süßspeisen bekannt ist, sondern auch für sein einzigartiges soziales Konzept – die „Vollpension“. Seit seiner Eröffnung im Jahr 2015 verfolgt das Generationencafé ein klares Ziel: Altersarmut und Einsamkeit im Alter aktiv zu bekämpfen. Dabei setzt es auf ein inklusives Betriebsmodell, das Senior:innen eine sinnstiftende Beschäftigung bietet und gleichzeitig eine Brücke zwischen den Generationen schlägt.
Kuchen bringen Generationen an einen Tisch
Das Wiener Sozialunternehmen Vollpension hat es sich zur Aufgabe gemacht, Senior:innen in die Mitte der Gesellschaft zu holen und Orte für mehr Generationenmiteinander zu schaffen: In den mittlerweile zwei Vollpension-Cafés in Wien backen und servieren Omas und Opas die besten Mehlspeisen nach alten Familienrezepten – für Gäste aus aller Welt. Das Team besteht zur Hälfte aus Senior:innen, die sich zu ihrer oft zu geringen Pension etwas dazuverdienen und gleichzeitig in ein soziales Netz eingebunden werden.
Dass dieses Rezept funktioniert, zeigen nicht nur die zahlreichen Gäste, sondern auch die Auszeichnungen. TripAdvisor zählt die Vollpension zu den besten 10 % der Restaurants weltweit; außerdem wurde über das Projekt unter anderem von CNN, BBC und der New York Times berichtet. Seit 2020 wird der Generationendialog zudem in der ersten Oma-Backschule der Welt, der „Backademie“, gelebt. Darin geben Senior:innen ihr Profiwissen rund ums Backen in hochwertig produzierten On-Demand-Kursen online und vor Ort weiter.
Von der Schnapsidee zum Kuchenprojekt
Alles begann 2012 während der Vienna Design Week: Zwei junge Männer, Mike Lanner und Moriz Piffl‑Percevic, stellten fest, dass der Kuchen in Wiener Kaffeehäusern oft zu trocken ist – und waren sich einig, dass er bei der Oma am besten schmeckt. Was als Schnapsidee begann, entwickelte sich zu einem bunten Leuchtturm des Generationenmiteinanders und zu einem Fixpunkt in Wiens Gastronomieszene. Die Vollpension ist heute Österreichs wohl bekanntestes Sozialunternehmen – und weit mehr als ein Café.
2015 wurde das Generationencafé in der Schleifmühlgasse eröffnet und bildet noch immer das Herzstück der Vollpension. 2019 folgte ein zweiter Standort in der Musik- und Kunst-Privatuniversität Wien, mitten im 1. Bezirk. Weitere Filialen sind in Planung.
Ein inklusives Geschäftsmodell
Im Zentrum der Vollpension stehen die Senior:innen, die als „Backomas“ und „Backopas“ nicht nur Gäste mit traditionellen Mehlspeisen verwöhnen, sondern auch ihre Lebensgeschichten teilen. Aktuell sind 55 Senior:innen in den Betrieben tätig – in Küche, Service oder Verwaltung. Das Modell bewahrt wertvolles Wissen, fördert den Dialog zwischen den Generationen und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Die Notwendigkeit dieses Modells ist hoch: Laut Statistik Austria waren 2023 288.000 Frauen und Männer über 65 Jahre von Armut und Ausgrenzung betroffen. Besonders Frauen leiden darunter, denn sie erhalten im Durchschnitt 39,7 % weniger Pension als Männer – rund 1.527 Euro brutto. Nach Fixkosten bleiben oft nur 200 bis 300 Euro zum Leben, während ein geringfügiger Zuverdienst von 450 Euro den Unterschied macht.
Quellen: Städtebund Österreich (OTS, 31.07.2025); Volkshilfe Österreich (2022)
Soziale Nachhaltigkeit als Unternehmensphilosophie
Durch die Schaffung von Arbeitsplätzen für ältere Menschen leistet die Vollpension einen aktiven Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit. Offene Stellen werden regelmäßig auf der Website der Vollpension veröffentlicht und Positionen wie „Backoma /-opa für die Backstube“, „Oma/Opa vom Dienst“ und „Senior Service“ angeboten. Die Anforderungen umfassen Herzlichkeit, Toleranz, Fleiß, Geschick, Vertrauenswürdigkeit, Weltoffenheit, Ehrlichkeit, Freundlichkeit und Zuverlässigkeit. 2024 wurde das Unternehmen mit dem Label „Verified Social Enterprise“ ausgezeichnet, das sein Engagement offiziell bestätigt.
Das Recruiting bei der Vollpension Wien basiert auf einem inklusiven und generationenübergreifenden Ansatz. Das Unternehmen legt großen Wert auf Diversität und sucht aktiv nach Kolleg:innen, die sowohl jung als auch älter sind. Derzeit sind etwa 50 % der Mitarbeitenden über 60 Jahre alt und arbeiten gemeinsam mit jüngeren Teammitgliedern. Diese Mischung fördert den Generationendialog und schafft ein harmonisches Arbeitsumfeld.
Expansion mit Verantwortung
Aufgrund des Erfolgs in Wien plant die Vollpension, ihr Konzept auf andere Städte auszuweiten. Mit Crowdinvesting sollen Standorte in Graz und Salzburg eröffnet werden. Das Erfolgsrezept der Vollpension steht allen offen: Wer das Modell in seiner eigenen Stadt umsetzen möchte, kann ganz unkompliziert über diese Seite eine Anfrage stellen. Die geplante Expansion zeigt: Soziales Unternehmertum funktioniert nicht nur lokal, sondern auch überregional.
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Autorin: Ines Visintainer