12 Höfe für ein Hotel – ein kulinarisches Pionierprojekt

  • Markus Mair am Tinkhof führt das Szenerestaurant „Matilda Street.Food.Bar“ in Bruneck, ist aber auch Foodscout für das Falkensteiner Family Resort Lido – mit einer ganz besonderen Mission: der Entwicklung einer maximal nachhaltigen Hotelküche auf höchstem Niveau.
  • In den letzten drei Jahren wurden sämtliche Küchenbereiche – von der Auswahl der Produzent:innen und Lieferant:innen bis hin zur Abfallvermeidung und -entsorgung – genau unter die Lupe genommen und schrittweise optimiert. 
  • Markus geht es nicht um schnelle Ergebnisse, sondern um langfristige Erfolge. Es geht ihm darum, aufzuzeigen, dass Veränderung tatsächlich möglich ist.

Markus, du bist also Foodscout für das Falkensteiner Family Resort Lido? 

Genau. Ich war für vier Jahre Chefkoch im Falkensteiner Family Resort Lido und habe dann mein eigenes kleines Restaurant in Bruneck eröffnet. Mit Hoteldirektor Georg Weitlaner blieb ich aber weiterhin verbunden. Es entstand die Idee, ein kulinarisches Pilotprojekt für das Resort zu starten. Alles begann mit einer ebenso simplen wie kühnen Frage: Ist es möglich, die Hotelküche eines so großen und hochqualitativen Hauses in eine nachhaltige Richtung zu führen? 

Ich gebe zu, ich hatte anfangs so meine Zweifel und habe mir viele Gedanken zum Thema gemacht, bis ich beschlossen habe, es einfach herausfinden zu müssen: Inwieweit kann ein Hotel dieser Größe es schaffen, eine „Küche der Zukunft“ zu etablieren? Unsere gastronomische Zukunft unter Berücksichtigung aller Faktoren – von der Optimierung der Lieferkette bis hin zur Müllvermeidung – nachhaltiger zu gestalten, entspricht meiner großen Sehnsucht. Und so habe ich es gewagt – mit der Prämisse, dass das Pilotprojekt mittel- bis langfristig angesetzt werden müsse. Denn so ein Vorhaben braucht natürlich Zeit, um richtig gut überlegt und aufgebaut werden zu können.

 

Und wie seid ihr gestartet? 

Begonnen habe ich bei der gezielten Auswahl der Produzent:innen. Ich habe mir die Zeit genommen, die Lieferant:innen aus Südtirol und Italien persönlich zu besuchen. So konnte ich abwägen, ob sie achtsam und nachhaltig genug herstellen und liefern können, aber auch verstehen, wo es Optimierungspotenzial gibt bzw. wie man dieses ausschöpfen könnte. Es ging mir darum, landwirtschaftliche Familienbetriebe oder kleine, authentische Manufakturen zu finden, mit denen wir vertrauensvoll und langfristig zusammenarbeiten können. 

Als erstes haben wir uns auf das bekanntlich recht heikle Thema Fleisch konzentriert. Diesbezüglich war die Problemstellung gleich klar: Um von Bauern aus der Umgebung beliefert werden zu können, musste man ihnen die regelmäßige Abnahme garantieren. Hinzu kam, dass es natürlich weder nachhaltig noch gewinnbringend ist, mit einem einzigen Filetstück quer durchs Land zu fahren. Und so entschieden wir, das Tier immer als Ganzes zu kaufen, um es vollständig zu verwerten. Für mich waren unter anderem folgende Kriterien unabdingbar: Die Vermeidung von Lebendtiertransporten, der Verzicht auf Jungtiere wie z.B. Spanferkel oder Kalb und – ganz wichtig – der Fokus auf Fleisch von Tieren, die gut gelebt haben! Ich weiß, dass das nicht nur für das Gewissen, sondern auch geschmacklich einen Unterschied macht.

 

Das klingt anspruchsvoll. Wie bist du da vorgegangen? 

Ich bin auf Wippland, eine Genossenschaft für die Regionalvermarktung von Frischfleischprodukten, gestoßen. Sie verkörpern eine Rückbesinnung auf die althergebrachte und natürliche Tierhaltung. Im Mittelpunkt stehen die natürlichen Bedürfnisse der Tiere: das Austoben auf Almwiesen, großzügige Auslaufmöglichkeiten ebenso wie rein natürliches Futtermittel. Falkensteiner Family Resort Lido wurde zum verlässlichen Abnehmer. So konnte Wippland in kurzer Zeit mehr Bauern für die achtsame Viehhaltung und gewissenhafte Schlachtung gewinnen. Und das Hotel konnte auf hochwertiges und mit bestem Gewissen gewonnenes Fleisch setzen. Eine Win-Win-Win-Situation wurde geschaffen!

 

Und wie ging es weiter?

Genau nach diesem Beispiel haben wir Lieferant:innen für Fisch, Obst & Gemüse, Wurstwaren, Reis & Getreide gesucht – und gefunden! 12 an der Zahl. So haben wir die 12-Höfe-Idee von einst wieder aufgegriffen. 

 

Was ist damit gemeint? 

Als das Falkensteiner Family Resort Lido in den 50er Jahren entstand, konnte es von insgesamt 12 Bauernhöfen der Umgebung mit Zutaten für eine ganz natürliche, nahrhafte und nachhaltige Verköstigung der Gäste versorgt werden. Nun sind es heute zwar weit mehr als 12 Höfe, Produzent:innen und Lieferpartner:innen, aber die Vision einer achtsamen und nachhaltigen Zukunft haben sie alle gemeinsam: Sie arbeiten mit innovativen Ideen, Mut und Tatkraft genau in die Richtung, in die wir die Hotelküche noch weiter bringen möchten. 

 

Was waren die größten Herausforderungen, denen du begegnet bist? 

Die Arbeit hört natürlich nicht bei der Auswahl der Produzent:innen und der Optimierung der Lieferkette auf. Das gesamte Küchenteam muss hinter der Idee stehen und die Werte voll mitleben! Es geht hier um eine ganz neue Küchenphilosophie, die weit wertschätzender mit den Zutaten umgeht und bei der das VerWERTEn (im wahrsten Sinne des Wortes) im Vordergrund steht! Das Produkt rückt in den Vordergrund, die Menü-Kreation wird kreativ und auch mit neuen oder alt hergeholten Ansätzen um es herum konzipiert. Wichtig ist auch: Der Gast muss natürlich über das Projekt informiert werden! Wenn er die Geschichte und die Absichten nicht vermittelt bekommt, wundert er sich, dass er kein Kalbfleisch auf der Karte findet oder er vermisst seine Südfrüchte. Wenn die Werte vermittelt werden, dann kann er sich begeistern! Er trägt die Idee nicht nur mit – er trägt sie auch nach außen. Denn was wir hier begonnen haben, entspricht dem neuen Zeitgeist. 


Wie ist das gemeint? 

Damit meine ich, dass den Menschen zunehmend bewusst wird, dass ihr Umgang mit Nahrungsmitteln immer auf sie zurückfällt. Sei es, was die klimatischen Veränderungen betrifft, aber auch ganz unmittelbar: Nahrung ist nun mal unsere Lebensgrundlage. 

 

Was geschieht nun? 

Mittlerweile bin ich von diesem Projekt so überzeugt, dass ich fast missionarisch unterwegs bin. Ich möchte diesen Ansatz unbedingt noch mehr nach außen bringen. Denn nun habe ich den Beweis, den ich mir gewünscht habe: Es kann funktionieren! Wir werden also weiter dranbleiben. Weitermachen. Ausbauen. Lernen. Entwickeln und – hoffentlich – auch inspirieren.

Nimm dir diese Learnings mit: 

  • Gib dir genügend Zeit: Es geht nicht darum, rasch irgendwelche Ergebnisse zu erzielen, damit das Marketing was zu erzählen hat. Sondern darum, das Haus mittel- bis langfristig auf ein gesünderes und grüneres Fundament zu stellen. 

  • Die Vision, ein Hotel nachhaltiger zu führen, muss eine gemeinsame sein: Nur, wenn du Mitarbeitende und Gäste auf deine Reise mitnimmst, bekommst du den Rückhalt, den ein Umdenken bzw. eine Umstellung dieser Art auch braucht. 

  • Last but not least: Jeder Schritt zählt! Und Schritt für Schritt entsteht ein Weg.

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